Herausragende junge Musiker:innen werden oft mit dem Subjekt „Talent“ versehen, in dem Wissen, dass dasselbe noch gar nicht existieren kann, sondern jenseits des Wissens, des Erlernten und des Geübten, eine Begabung für etwas Besonderes besteht.
Was können die älteren Generationen tun, um junge, zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten zu fördern?
Die „Austrian Composers Association“ (ACA) hat ein Programm um „die Förderung und Stärkung der gesellschaftlichen, kulturpolitischen und wirtschaftlich Positionen der Musikschaffenden in Österreich“ nachhaltig voranzutreiben.
Aber wie lange ist man ein Talent? Ist die Begabung irgendwann beendet? Ist sie Teil des bzw. in das Wissen und das Geübte Übergegangene? Dauertalente reichen uns nicht, genauso wenig wie Wissende, Geübte ohne Begabung. Es gibt diese erkennbaren, untrüglichen Potenziale, diese Mischung aus getriebenem Machen und erreichbarem Können, gegen jedwede Widerstände. Ob entdeckt oder lange Zeit verkannt, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, und erkannt zu werden – die Geschichte ist durchzogen von Talentierten. Was aus ihnen wurde und auch zukünftig wird, liegt auch an uns, die für (Aus-)Bildung Verantwortung tragen.
Als bereits 19-jähriger Salzburger ist Karim Zech (*2004) in die „Austrian Composers Association“ aufgenommen worden, ist mehrfacher Preisträger, hat also bereits im Jugendalter Förderung und Preisverleihungen erleben dürfen, er wird gefördert und studiert nun bei Johannes Maria Staud an der Universität Mozarteum das Fach Komposition.
Der Begabung gilt es auf den Grund zu gehen und so liegen folgende Fragen nahe:
Claus Friede (CL): Wie sind Sie zum Komponieren gekommen?
Karim Zech (KA): Meine Mutter ist Pianistin – daher bin ich schon früh in Kontakt mit der Musik gekommen. Seit meinem 6. Lebensjahr erhielt ich Klavierunterricht bei Maria Othonos am Musikum Salzburg. Nachdem ich als Schüler des Musischen Gymnasiums 2016 an der Uraufführung einer zeitgenössischen Oper mitwirkte, entstand in mir der Wunsch, selbst zu komponieren. Seit September 2016 war ich dann Kompositionsschüler bei Ludwig Nussbichler, nun studiere ich bei Johannes Maria Staud.
CL: Was treibt Sie an?
KA: Die unbegrenzten Möglichkeiten der Musik. Gerade jetzt, in der zeitgenössischen Musik, ist ein Stadium erreicht, wo alles möglich ist. Ich empfinde jede neue Komposition als ein Experiment – so probiere ich stetig neue Dinge aus oder entwickle zumindest alte Ideen weiter.
CL: Komponieren als Beruf. Wie kann ich mir das vorstellen? Welche Abläufe eventuelle Regeln oder eigene Vorgaben gibt es?
KA: Erstmal muss ich sagen, dass ich es wirklich als Privileg empfinde, meine Leidenschaft zum Beruf machen zu dürfen! Salzburg und das Mozarteum sind ein großes Geschenk in dieser Hinsicht! Auftragsarbeiten tragen viel zum Bekanntheitsgrad bei. Man wird in einem Konzert gehört und mit etwas Glück für ein nächstes engagiert – wie eine Kettenreaktion.
CL: Apropos Auftragsarbeiten: Was muss ein Auftrag haben, um ihn anzunehmen?
KA: Eine interessante Besetzung oder einen schönen Anlass. Ich liebe es, Auftragswerke zu schreiben. Man hat dann die Garantie, dass das Stück zur Aufführung kommt und nicht „in der Schublade verschwindet“.
CL: Welche Spielräume gibt es für einen jungen Komponisten, die noch nicht ausgelotet sind? Also was kann man mitnehmen aus dem Gestern, Heute ins Morgen?
KA: Ich erwähnte bereits, dass die musikalischen Möglichkeiten unbegrenzt sind – es gibt also noch viel zum Ausloten. Persönlich halte ich es für wichtig, aus der Vergangenheit, von den sogenannten „alten Meistern“, zu lernen, viele Partituren zu studieren und dann aber zu versuchen, immer ein bisschen was völlig Neues einzustreuen. Ich stelle mir das wie einen sich stetig bewegenden Zeitstrahl vor – der weder abgebremst noch neu angefangen werden sollte.
CL: Worauf kommt es Ihnen bei der Auswahl und Kombination von Instrumenten an? Sie müssen ja eigentlich alle Klangvarianten irgendwie im Kopf haben…
KA: Ich war schon immer vom Orchester begeistert, das eine dermaßen große Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten von Instrumenten bereitstellt. Immer mehr probiere ich mir die technischen Gegebenheiten der Instrumente anzueignen – Klappensysteme, erweiterte Spielmöglichkeiten etc. – ich versuche immer „so gut liegend wie möglich“ zu schreiben. In der Schule habe ich mit der Klarinette im Orchester gespielt, wodurch ich viel über die Flexibilität und die individuellen Klangmöglichkeiten der Instrumente erfahren habe.
CL: Musik erzeugt Emotionen, dennoch braucht man viel technisches Wissen und Erfahrung, um diese hervorquellen zu lassen. Nutzen Sie da bestimmte Techniken, Klangfarben, Tonarten, Stimmungen?
KA: Im Laufe der Jahre habe ich Klang- bzw. Tonsysteme gefunden, in denen ich mich wohlfühle; ich mich „frei bewegen“ kann. Bei jedem neuen Stück versuche ich, meine Palette zu erweitern – so wie auch Instrumentalisten ihr Repertoire mit der Zeit vergrößern. Ja, ich wende auch immer unterschiedliche Kompositionstechniken an – und gerne viele verschiedene im gleichen Stück.
CL: Besteht die Gefahr als junges Talent auch verbrannt zu werden?
KA: In der Musikbranche ist der Druck sehr hoch – bei Instrumentalisten noch mehr als bei der Komposition, da komponieren, zumindest im Schreibprozess, eher eine Einzelgängerarbeit ist. Es gibt große und starke Konkurrenz, was anspornt, aber leider auch Kräftemessen (beispielsweise wie viele Stunden geübt wird). Auch „Hype“ ist ein gefährlicher Faktor… Ich habe mich beim Komponieren eigentlich nie unter Druck gesetzt – habe immer in meinem natürlichen Schreibtempo gearbeitet. Klar gibt es Phasen (gerade kurz vor Fertigstellung eines Projektes) in denen sich die Arbeitseinheiten verdichten. Aber ich habe das immer als Motivation gesehen – als „Challenge“.
CL: Wie wichtig ist ein Festival wie die aspekteSALZBURG für Komponisten Ihrer Generation?
KA: Sehr wichtig! Nicht nur da es Möglichkeiten bietet, die eigene Musik vorzustellen, sondern auch die, der anderen zu hören. Man findet Gleichgesinnte, lernt großartige Musikerpersönlichkeiten kennen und erlebt die aktuellen Kompositionen.
CL: Welche Bedeutung hat das Zusammenkommen mit anderen Kolleginnen/Kollegen und Musiker:innen?
KA: Eine äußerst Große! Ich glaube, das ist es, was ich am meisten an der Musik genieße: das Zusammenarbeiten mit Kolleg:innen. Es ist unglaublich inspirierend Ideen auszutauschen und sich gegenseitig Musik zu zeigen bzw. vorzuspielen. Meine Freundinnen und Freunde haben schon einige meiner Stücke (ur)aufgeführt. Es ist etwas ganz besonderes, wenn man auch eine menschlich emotionale Bindung zu seinen Aufführenden hat!
CL: Am Sonntag, den 10. März gibt es eine Uraufführung beim aspekteFESTIVAL: „Fluchtpunkte II“. Warum dieser Titel und was erwartet uns?
KA: Der Titel „Fluchtpunkte II“ ist mehrdeutig: Zum einen bezieht er sich auf die strukturelle Gesamtform der Komposition, wobei hier die zentralperspektivische Bedeutung des Begriffs zu Rate gezogen wird. Das Stück generiert graduell einen Sog, in welchem Themen und Motive zusammenlaufen und miteinander verschmelzen. Des Weiteren stellen Musik und deren Rezeption für viele einen Zufluchtsort – einen Fluchtpunkt – dar. „Fluchtpunkte II“ zeichnet sich durch schroffe, blockartige Wechsel der Faktur sowie einen überwiegend hohen Dichtegrad aus. Die mehrschichtig angelegten Texturen unterscheiden sich vor allem in ihrer Artikulation sowie in der Art des Fortspinnens, welche meist durch An-/Abstieg der Dynamik oder Beschleunigung/Verlangsamung des Tempos zustande kommt. Kompositionstechniken wie Klangcollagen, Spektralmusik, der Einsatz von Zwölftontechnik, aleatorische Abschnitte, Elemente des Jazz und mehr finden ihre Anwendung.
Prof. Claus Friede
(Hochschule für Musik und Theater, Hamburg / Institut für Kultur und Medienmanagement)