Igor Strawinsky, „Le sacre du printemps“ (1910/13)
Johannes Maria Staud, „Im Lichte II“ (2018, ÖEA)
Ariane Haering, Klavier
Ardita Statovci, Klavier
Mit freundlicher Unterstützung von
Johannes Maria Stauds „Im Lichte“ war in der ersten Version ein Auftragswerk der Mozartwoche 2008 und ein Stück für 2 Klaviere und Orchester. „Im Lichte II“, entstanden für die Wittener Tage der neuen Kammermusik, konzentriert sich nun ganz auf die beiden Tasteninstrumente. „Über all die Jahre wollte ich eine Version für zwei Klaviere schreiben, und nun war es soweit: „Im Lichte II“ unterzieht das über zehn Jahre alte Ausgangswerk „Im Lichte“ für zwei Klaviere und Orchester einer kritischen Prüfung und eingehenden Umarbeitung. Mich dabei zu verorten und zu analysieren, was ich seitdem dazu gewonnen habe und was verloren, fand ich ungemein spannend.“ Der Titel entstammt Friedrich Nietzsches Ecce Homo. Nicht so sehr das Dialogisieren wie etwa bei Mozart, sondern die Behandlung der beiden Klaviere „als ein großes Instrument, das von einer vierhändigen Krake gespielt wird“, steht im Mittelpunkt seines eigenen Zugangs. „Die Klaviere sind absolut gleichberechtigt (…); wenn sie unisono geführt werden, ist das eine besonders schöne Möglichkeit. Es geht mehr um Verschmelzung als um Dialog, um Imitationen, um Tempi, die sich am gleichen Punkt wieder zusammenfinden“. Staud geht es auch um den Begriff Schönheit – aber dieser Begriff ist vieldeutig. Schönheit ist nicht zwingend Tonalität oder Melodie im traditionellen Sinn. Wichtig ist für den Komponisten, „das Interesse des Hörers mit dem Erwartbaren zu wecken und mit dem Unerwartbaren zu erschrecken – also eigentlich zu belohnen. Ein Spiel mit der Erwartung.“ Wie geht er mit Semantik und Syntax, mit innerer Folgerichtigkeit um? „Der postmoderne Zweifel an diesen Fragen interessiert mich nicht, es geht darum, einen persönlichen Weg durchs Dickicht zu finden, den man bei jedem Stück individuell lösen muss. Das Streben zum Licht, zur Klarheit trotz innerer Komplexität. Das Aufsuchen des Hochgebirges, um mit Nietzsche zu sprechen.“
„Ich hatte die Szene eines heidnischen Rituals geträumt, indem eine auserwählte Opferjungfrau sich zu Tode tanzt“, erinnerte sich Igor Strawinsky 1968 an das Werden von „Le Sacre du printemps” über ein halbes Jahrhundert davor, „doch diese Vision war nicht von konkreten musikalischen Ideen begleitet“. Der Traum muss aber bestimmend gewesen sein, denn Stravinsky schritt 1911 unverzüglich an die Realisierung des Balletts. Später wollte er über dieses „chef d’oeuvre“ des 20. Jahrhunderts nicht mehr allzu viel sagen: „Ich fühle mich heute (…) durchaus unfähig, mich der Gefühle zu entsinnen, die ich empfand, als ich das Werk komponierte.“ Zur noblen Zurückhaltung des alten Komponisten kontrastiert ein Briefzitat von 1912: „Ich möchte, dass mein Werk das Gefühl der engen Verbundenheit des Menschen mit der Erde, des menschlichen Lebens mit dem Boden vermittelt, und ich habe versucht, das durch einen lapidaren Rhythmus zu erreichen.“ Die von Vaclav Nijinskij choreographierte Uraufführung in Paris rief 1913 einen der größten Skandale der Theatergeschichte hervor. Die polytonale, polyrhythmische, expressionistische Musik war erregend neu. Der Skandal verwandelte sich freilich sehr schnell in einen Triumph, denn bereits die dritte Aufführung wurde begeistert aufgenommen. Schon 1912 hatte der Komponist selbst eine Fassung für Klavier zu vier Händen erstellt, die zum schwierigsten gehört, was jemals für diese Besetzung geschrieben wurde. Eine der von russischer Folklore gespeisten wirkungsvollen Melodien des Stücks leitet den ersten Teil, „Die Anbetung der Erde“, lyrisch ein. Nach wenigen Takten beginnt die Herrschaft des komplexen Rhythmus, ohne das Sicherheitsnetz geregelter Metrik – das verblüffend Neue dieser Musik. Auf die rasenden Tänze und Entführungsspiele der Jünglinge und jungen Mädchen im „wilden russischen Frühling“ folgt gespannte Ruhe. Doch ausgerechnet mit dem „Frühlingsreigen“ setzt dunklere Stimmung ein. Mit unbarmherziger Härte kämpfen rivalisierende Stämme. Die Atmosphäre wird immer unheimlicher. Raffinierte Taktwechsel führen zum Ruhepunkt, zum „Kuss der Erde“, aus dem sich eine ebenso wüste wie in jedem Takt exakt kontrollierte Ekstase entwickelt – der „Tanz der Erde“. Im zweiten Teil, „Das Opfer“, löst sich aus verhaltenem Beginn der „mystische Reigen der Mädchen“. Elf Schläge führen zur „Verherrlichung der Auserwählten“ und zum archaischen Frühlingsopfer.
Die Pianistinnen Ariane Haering und Ardita Statovci haben ein Klavierduo der besonderen Art gegründet. Seit ihrem allerersten gemeinsamen Auftritten im Sommer 2015 im Rahmen des Mattseer Diabelli Sommers hat das Duo erfolgreiche Konzerttourneen absolviert, erhielt Lob nach der Sendung des Konzertmitschnittes von ORF/Ö1, wurde als „Klavierduo der Extraklasse“ bezeichnet und in der internationalen Presse begeistert besprochen. Im Jahr 2016 erhielt das Duo ein eigens für sie komponiertes Stück des renommierten Komponisten Alexander Müllenbach, welches beim 40. Jubiläum der aspekteSalzburg 2018 erfolgreich uraufgeführt wurde. Das Repertoire von ARIADITA umfasst nicht nur Standardliteratur der großen Klassiker, sondern auch eines der anspruchsvollsten Werke der Duoliteratur des 20. Jahrhunderts, „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky.